#31 Die Familienfrage
Erfahre mehr
Kinderkram Das Kieler magazin für Menschen mit Kindern | Dezember/Januar-Ausgabe 2023
Die Frage, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt, bewegt jedes Jahr unzählige Kinderherzen. Die Antwort hängt von deiner persönlichen Überzeugung und deinem Erziehungsansatz ab.
Vielleicht hilft hier die Geschichte von dem 8-jährigen Mädchen namens Virginia O'Hanlon aus New York. Denn auch wenn es sich wie ein Weihnachtsmärchen anhört, ist die Geschichte aus dem Jahr 1897 wahr. Virginia beschäftige die Frage nach dem Weihnachtsmann so sehr, dass sie einen Leserbrief an die New York Sun schrieb.
„Lieber Redakteur: Ich bin acht Jahre alt. Manche meiner kleinen Freunde sagen, es gibt keinen Weihnachtsmann. Papa sagt: "Was in der Sun steht, ist auch so. Bitte sagen Sie mir die Wahrheit. Gibt es einen Weihnachtsmann?“
Virginia O’Hanlon.
115 West Ninety-fifth Street.
Die Antwort von Francis P. Church, dem Redakteur der Sun, wurde der am häufigsten nachgedruckte Leitartikel und in viele andere Sprachen übersetzt.
Virginia, deine kleinen Freunde haben unrecht. Sie sind beeinflusst von der Skepsis eines skeptischen Zeitalters. Sie glauben an nichts, dass sie nicht sehen. Sie glauben, dass nichts sein kann, was ihr kleiner Verstand nicht fassen kann. Der Verstand, Virginia, sei er nun von Erwachsenen oder Kindern, ist immer klein. In diesem unserem großen Universum ist der Mensch vom Intellekt her ein bloßes Insekt, eine Ameise, verglichen mit der grenzenlosen Welt über ihm, gemessen an der Intelligenz, die zum Begreifen der Gesamtheit von Wahrheit und Wissen fähig ist.
Ja, Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann. Er existiert so zweifellos wie Liebe und Großzügigkeit und Zuneigung bestehen, und du weißt, dass sie reichlich vorhanden sind und deinem Leben seine höchste Schönheit und Freude geben. O weh! Wie öde wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe. Sie wäre so öde, als wenn es dort keine Virginias gäbe. Es gäbe dann keinen kindlichen Glauben, keine Poesie, keine Romantik, die diese Existenz erträglich machen. Wir hätten keine Freude außer durch die Sinne und den Anblick. Das ewige Licht, mit dem die Kindheit die Welt erfüllt, wäre ausgelöscht.
Nicht an den Weihnachtsmann glauben! Du könntest ebenso gut nicht an Elfen glauben! Du könntest deinen Papa veranlassen, Menschen anzustellen, die am Weihnachtsabend auf alle Kamine aufpassen, um den Weihnachtsmann zu fangen; aber selbst, wenn sie den Weihnachtsmann nicht herunterkommen sähen, was würde das beweisen? Niemand sieht den Weihnachtsmann, aber das ist kein Zeichen dafür, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Die wirklichsten Dinge in der Welt sind jene, die weder Kinder noch Erwachsene sehen können. Sahst du jemals Elfen auf dem Rasen tanzen? Selbstverständlich nicht, aber das ist kein Beweis dafür, dass sie nicht dort sind. Niemand kann die ungesehenen und unsichtbaren Wunder der Welt begreifen oder sie sich vorstellen.
Du kannst die Babyrassel auseinanderreißen und nachsehen, was darin die Geräusche erzeugt; aber die unsichtbare Welt ist von einem Schleier bedeckt, den nicht der stärkste Mann, noch nicht einmal die gemeinsame Stärke aller stärksten Männer aller Zeiten, auseinanderreißen könnte. Nur Glaube, Fantasie, Poesie, Liebe, Romantik können diesen Vorhang beiseiteschieben und die übernatürliche Schönheit und den Glanz dahinter betrachten und beschreiben. Ist das alles wahr? Ach, Virginia, in der ganzen Welt ist nichts sonst wahrer und beständiger.
Kein Weihnachtsmann! Gott sei Dank! lebt er, und er lebt auf ewig. Noch in tausend Jahren, Virginia, nein, noch in zehnmal zehntausend Jahren wird er fortfahren, das Herz der Kindheit zu erfreuen.[1]
Dieser Briefwechsel zwischen Virginia und Francis P. Church wurde über ein halbes Jahrhundert " bis zur Einstellung der Sun 1950 " zur Weihnachtszeit auf der Titelseite der Zeitung abgedruckt.
Eine berührende Geschichte, welche auch 126 Jahre später so viel Wahres sagt. Für Virginia blieb die Antwort stets ein Teil ihres Lebens. Im Alter sprach Sie immer wieder davon, wie positiv und stark diese Worte sie beeinflussten und zu ihrer Lebensphilosophie wurden. Sie fühlte sich dank Church immer in der Verantwortung den Glauben, die Liebe, die Poesie und die Romantik auch Teil ihres Lebens sein zu lassen.
Doch nun zurück zu der Frage. Für ein 2-jähriges Kind ist die Fantasie ein bedeutender Bestandteil der Entwicklung. Daher ist es wichtig altersgerecht zu antworten und die Vorstellungskraft deines Kindes zu respektieren. Es ist unsere Aufgabe als Elternteil, unsere Kinder dabei zu unterstützen und die Fragen persönlich zu beantworten. Das ist oft nicht leicht, und es ist völlig OK zu sagen. „Das weiß ich nicht, aber wir können es ja gemeinsam herausfinden.“ Im Endeffekt gibt es keine richtige oder falsche Antwort. Indem wir die Werte und Gefühle des Weihnachtsfests, die dieses für uns persönlich verkörpert in den Vordergrund stellen. Denn auch wenn du dich entscheidest zu sagen, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, kann Weihnachten unabhängig vom Glauben an den Weihnachtsmann für Liebe, Besinnlichkeit und Miteinander stehen. Du könntest zum Beispiel sagen: „Der Weihnachtsmann ist eine Figur in Geschichten und Liedern, welche zu Weihnachten gern erzählt werden. Menschen lieben es diese Geschichten zu erzählen und an den Weihnachtsmann zu glauben.“ Du kannst betonen was dir persönlich an Weihnachten so wichtig ist und gefällt, zum Beispiel das Haus in der dunklen Jahreszeit hell zu dekorieren, Plätzchen gemeinsam zu backen, deinen Liebsten etwas zu schenken. Oder du machst es wie Francis P. Church, die Hauptsache ist, dass du für dich authentisch bleibst. Es gibt kein richtig oder falsch, sondern nur das was wir unseren Kindern vorleben. Wichtig sind die Werte an Weihnachten zu leben, die wir als Familie haben.
Jedes Kind ist einzigartig, jede Familie und jedes Weihnachtsfest auch. Ich persönlich finde es auch alle Jahre wieder super spannend, herausfordernd und wunderschön zu gleich unser Weihnachten mit der Familie zu leben und die Frage nach dem Weihnachtsmann zu beantworten.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Gibt_es_einen_Weihnachtsmann?
Erschienen in einer kürzen Version in der Dezember/Januar Ausgabe 2023