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#22 Die Familienfrage
Kinderkram Das Kieler magazin für Menschen mit Kindern |Februar-Ausgabe 2023
Ich darf nicht vergessen die gelbe Tonne rauszustellen, den Rucksack für den Klassenausflug zu packen, den U9-Termin für unsere Jüngste zu machen, die Krankenversicherung zurückzurufen und so weiter und so fort. Die Liste an Besorgungen und To-Dos kann schier endlos werden. Seit einigen Jahren hat sich ein sehr passender Begriff dafür eingebürgert, Mental Load die Gedankenlast. Ich selbst bin unglaublich froh und dankbar für diesen Begriff, denn so findet die ganze Arbeit und Energie des „Drandenkens“ neben der sichtbaren Arbeit im Familienalltag endlich Gehör und Wertschätzung.
In den allermeisten Fällen fühlen sich die Mütter für diese Alltagsorganisation zuständig, was in unserer Geschichte der Sozialisation begründet ist. Jedoch egal wer in der Familie die Hauptlast des Mental Loads trägt, es ist hilfreich genauer hinzuschauen.
Praktisch gesehen, ist es etwas anderes eine Einkaufsliste in die Hand gedrückt zu bekommen, „auf Autopiloten zu schalten“ und die Besorgungen einzuholen. Oder aber den kompletten Verantwortungsbereich fürs Einkaufen zu übernehmen. Denn das bedeutet im Blick zu haben, was in der Woche gekocht werden soll, was noch im Vorrat und Kühlschrank vorhanden ist und die Einkaufsliste zu schreiben. Es lohnt sich daher auf seine eigene Belastungsgrenze zu achten und sich gemeinsam als Eltern die Familienorganisation zu überdenken. Wie können wir die sichtbaren Aufgaben mit Berücksichtigung der unsichtbaren Gedankenlast klarer verteilen? Wichtig dabei ist, dass die komplette Verantwortung für die einzelnen To-Dos übernommen wird. Dies bedeutet dann aber auch zu akzeptieren, dass der/die Partner*in gewisse Aufgaben anders erledigen wird als man es selbst tun würde. Komplett loslassen und abgeben braucht Übung und muss sich einspielen. Das es funktioniert, merkt man, sobald die Aufgabe ganz von unserer inneren To-Do-Liste verschwindet. Wir also nicht mehr dran denken, ob der andere die Aufgabe auch wirklich erledigt. Sehr hilfreich sind dabei auch Familientafeln und Boards. Diese hängt man an einen Ort, wo die ganze Familie sie im Blick haben kann.
Dieser offene Umgang damit hilft auch unseren Kindern. Indem wir sichtbar machen, was wir alles tun und woran wir alles denken müssen, verstehen sie das unsere Ressourcen und Kräfte manchmal zu Ende gehen. Hierbei geht es nicht darum ihnen Schuldgefühle zu machen oder sie zuzutexten. Hierbei geht es darum authentisch zu sein. Im Alltag räumen wir
so oft selbstverständlich hinter ihnen her und organisieren im Hintergrund. Sind unsere Kinder daran gewöhnt nach dem Motto „Mama erledigt das schon“, dürfen wir ihnen keinen Vorwurf machen. Indem wir unsere Aufgaben klar benennen und die Kinder altersgerecht miteinbinden, vermitteln wir eine ganz natürliche Form von Grenzen. Fachautorin Nora Imlau spricht in ihrem neusten Buch von „natürlicher Begrenzung von Ressourcen“.
„Wenn Mama allein kocht, wäscht, putzt und bügelt, ganz allein alle Kraft dafür investieren muss, ist sie danach müde und kaputt. Geben wir hingegen alle etwas von unserer Kraft dazu, verbraucht jeder Einzelne weniger Energie, sodass am Ende alle Ressourcen zum Spielen, Vorlesen oder Toben haben.“
Grenzerziehung im Familienalltag beginnt also damit seine eigenen Grenzen zu spüren, zu wahren und zu zeigen. Den Weg hin zu einem besseren Miteinander in Sachen Alltagsorganisation anzutreten, schaffen wir, indem wir Eltern dies Vorleben und uns gegenseitig unterstützen. Wir sind alle begrenzt in unserer Leistungs- und Fürsorgefähigkeit. Das rüttelt zwar sehr an dem Bild der perfekten Mutter, schafft aber langfristig Wertschätzung und Anerkennung im Familienleben.
Erschienen in der Februar Ausgabe 2023
meine grenze ist dein Halt - kindern liebevoll stopp sagen
Mein Buch-Tipp
„Meine Grenze ist dein Halt – Kindern liebevoll Stopp sagen“ von Nora Imlau, der Fachautorin für Familienthemen. Ein wunderbar erfrischendes Buch, welches zeigt wie man das Thema „Grenzen setzen“ neu denkt und dadurch die ganze Familie stärkt. Als Mutter von vier Kindern, schafft es Nora Imlau mit vielen praktischen Beispielen, Tipps und Übungen wichtiges Hintergrundwissen aus der Psychologie und Wissenschaft spannend und bildreich zu vermitteln.